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von Willebrand-Syndrom

von Willebrand-Syndrom und Thrombozytenfunktionsstörungen

Bei der so genannten primären Hämostase (Bildung eines ersten blutstillenden Pfropfes aus Blutplättchen) interagieren Blutplättchen und Gefäßwand. Dabei hat der von Willebrand-Faktor vereinfacht die Funktion eines Ankers. Störungen in diesem System äußern sich daher immer ähnlich neben perioperativen Blutungen, vor allem durch Blutungen im Schleimhautbereich und starke Menstruation. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen, bei Frauen wird es aber leichter festgestellt, wenn die Hypermenorrhoe (starke Regelblutungen) leichter auf die Diagnose hinweist.

von Willebrand-Syndrom Typ 1

Das von Willebrand-Syndrom Typ 1 kommt am häufigsten vor. Der Schweregrad bleibt meistens leicht. Von Willebrand-Faktor (VWF) wird strukturell normal und mit normaler Funktion, mengenmäßig aber vermindert gebildet. Von Willebrand-Faktor ist vermindert (VWF-Ag), die von Willebrand-Faktor-Aktivität (VWF-Aktivität, früher Ristocetin Cofaktor) ist ebenfalls vermindert. Die in vitro Blutungszeit (PFA-Analyse) ist pathologisch verlängert. Pathologisch vermindert ist die Ristocetin-vermittelte Thrombozytenaggregation.

Die Therapie gelingt meistens durch lokale Blutstillung, antifibrinolytische Therapie mit Tranexamsäure (Cyklokapron®) als Basismaßnahmen und ggf. Steigerung des VWF durch das synthetische DDAVP. Davon gibt es zur intravenösen Verabreichung als Infusion das Medikament Minirin® und zur Gabe als Nasenspray in ausgewählten Fällen Octostim®. Dadurch wird körpereigener VWF vorübergehend mehr ausgeschüttet, wodurch sich die Blutgerinnung normalisiert.

Die Behandlung der sehr häufigen Hypermenorrhoe geschieht am elegantesten durch Auswahl einer geeigneten hormonellen Kontrazeption (Pille) oder hormonbeschichteten Spirale (IUP, z. B. Mirena® oder Jaydess®). Dies geschieht natürlich interdisziplinär in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Gynäkologen.

von Willebrand-Syndrom Typ 2

Bei den verschiedenen Formen des Typ 2 wird der von Willebrand-Faktor mit unterschiedlichen strukturellen Defiziten gebildet, die seine Funktion bei der primären Hämostase beeinträchtigen.

Die Behandlung mit Minirin ist dabei in vielen Fällen nicht zufriedenstellend, dann ist zusätzlich zu den Basismaßnahmen die intravenöse Gabe von Gerinnungsfaktorkonzentraten erforderlich. Bislang war dies nur mit aus Spenderplasma gewonnenen Faktorkonzentraten möglich (Haemate®, Wilate® u.a.), ganz neu ist jetzt erstmals ein gentechnisch hergestelltes rekombinantes von Willebrand-Faktor-Konzentrates (Vonvendi®) verfügbar.

Die Abgrenzung des Typ 2 vom Typ 1 und die Differenzierung der weiteren Subtypen des Typ 2 geschieht durch die so genannten Multimerenanalyse.

von Willebrand-Syndrom Typ 3

Bei der seltensten Form wird praktisch gar kein von Willebrand-Faktor gebildet. Daraus resultiert eine schwere Blutungsneigung ähnlich wie bei der schweren Hämophilie. Dabei ist häufig auch eine Dauerprophylaxe mit dem fehlenden Gerinnungsfaktor erforderlich.

Thrombozytenfunktionsstörungen

Störungen der Blutplättchen gehören gemeinsam mit dem von Willebrand-Syndrom zu den häufigsten Blutgerinnungsstörungen. Die Diagnose ergibt sich aus der Symptomatik, verlängerter in vitro Blutungszeit und eingeschränkter Thrombozytenaggregation (Plättchenaggregation). Dabei handelt es sich um keine einfachen Labortests, sondern es bestehen diverse Störmöglichkeiten. Dadurch, dass wir das Blut möglichst schonend abnehmen und unmittelbar ohne Transportwege in der Praxis die Analysen durchführen, können wir schon die wesentlichsten so genannten präanalytischen Fehler auf ein Minimum reduzieren. Trotzdem ist eine sichere Diagnosestellung nur bei Reproduzierbarkeit der Befunde möglich.

Thrombasthenie Glanzmann, Bernard Soulier-Syndrom und einige andere genetische Erkrankungen sind prominente Vertreter der Thrombozytenfunktionsstörungen und praktisch Modellerkrankungen für Störungen bei bestimmten Rezeptoren oder Funktionsmechanismen der Blutplättchen. Sie sind aber extrem selten.

Viel, viel häufiger sind andere unspezifische Einschränkungen der Thrombozytenfunktion oder das storage pool disease, dabei gelingt meistens die Zuordnung zu einer namentlich klar benennbaren Funktionsstörung nicht, sondern die Diagnose ergibt sich aus der Symptomatik und reproduzierbar mäßig eingeschränkten Thrombozytenfunktionstests. Eine Abgrenzung zum leichten von Willebrand-Syndrom ist auch nicht immer möglich, da es nicht nur bei der physiologischen Funktion und folglich bei der Symptomatik Überschneidungen gibt, sondern auch bei den Laborbefunden. Praktisch ist dies aber von eingeschränkter Relevanz, da die Therapie letztlich beide Differentialdiagnosen gut behandelt.

Medikamenten-induzierte Thrombozytenfunktionsstörungen

Die Thrombozytenfunktion ist sehr sensibel nicht nur für Störungen im Labor, sondern auch für Störungen im Körper. Schmerzmittel vom Typ NSAR können die Thrombozytenaggregation beeinträchtigen.

Antibiotika können die Thrombozytenfunktion auch schädigen, was aber schwer auseinander zu halten ist mit Infekt-bedingten Funktionsbeeinträchtigungen.

Bei Psychopharmaka sind Thrombozytenfunktionsstörungen ebenfalls bekannt. Dies muss aber nicht immer von klinischer Relevanz sein.

Damit sind nur einige Beispiele genannt. Auch Nahrungsergänzungsmittel mit hochdosierten Pflanzenextrakten sind mögliche Störfaktoren der Thrombozytenaggregation.

Thrombozytenfunktionsstörungen bei Leber- und Nierenerkrankungen

Blutplättchen reagieren auch sensibel auf mangelnde Entgiftung des Körpers. Bei Patienten mit signifikant eingeschränkter Nierenfunktion ist die so genannte urämische Thrombopathie häufig anzutreffen. Lebererkrankungen können ebenfalls die Thrombozytenfunktion beeinträchtigen. Dies überschneidet sich meist mit einer Thrombopenie (verminderte Plättchenzahl).